Kreativität ist ein Mysterium und scheint sich aller Machbarkeit und Messbarkeit zu entziehen. Kreativität ist etwas, was wie ein Geschenk zu einem kommt, manchmal sogar im Traum. Und doch kann man etwas dafür tun: Die Rahmenbedingungen für diesen Bewusstseinszustand schaffen. Dazu braucht es einiges Wissen: Will man nämlich kreative Ergebnisse „erzeugen“ oder ich würde besser sagen „empfangen“, ist es wichtig, den richtigen Bewusstseinszustand im richtigen Moment anzuwenden. Ich arbeite seit 20 Jahren als Kreative und dabei hat sich ein 4-Phasen-Modell als nützlich herauskristallisiert:
1. Ich formuliere mein Ziel.
Bei der Meditation würde man sagen eine Absicht. Dies ist die Nachricht für das Bewusstsein und das Unbewusstsein, sich zu fokussieren und die Filter darauf einzustellen. Mit der Absicht ziehe ich Hinweise, Möglichkeiten und außergewöhnliche Ideen geradezu magisch an. Jedenfalls dann, wenn ich wachsam bin und über einen klaren Geist verfüge. Um mein Ziel zu verinnerlichen, versenke ich mich für einige Momente in die Tiefen meines Geistes, spreche es aus und setze damit einen Samen.
2. Ich sammle Material rund um das Thema.
Das funktioniert ganz klassisch: Bücher, Filme, Internet oder Selbsterfahrung, was auch immer erforderlich ist: Zieh es Dir rein. Am Ende dieser Phase kann es recht ungemütlich werden. Man ist so gefüllt mit Wissen und sieht keinen Weg, wie daraus eine Idee werden könnte. Eine Blockade droht. Versagensängste steigen auf. Das Schlimmste, was Du nun machen kannst, ist es, Dich in diesem Zustand vor Dein leeres Blatt Papier zu setzen und zu versuchen, irgendetwas zu erzwingen. Denn es ist ganz normal, dass Du – noch in all dem Wissen schwimmend – den Wald vor lauter Bäumen nicht siehst. Dein Bewusstsein muss sich erst einmal wieder klären und das Wissen tiefer in Dein System einsinken. Deshalb kommt jetzt erst einmal Phase 3:
3. PAUSE!
Und die ist essentiell. Du musst Dich über die vielen Einzelheiten erheben und einen größeren Blick gewinnen. Das geschieht von ganz allein, wenn Du einfach Dein Ziel loslässt. Am besten Du machst etwas, was Dir Freude bereitet. Geh spazieren, mach Yoga, sei gesellig, iss ein Eis. Ganz wichtig: Schlafe drüber, entspann Dich und sei Dir gewiss: In dieser Zeit formt sich schon Deine Idee in Dir.
4. Kreativität fließen lassen
Nun ist der Zeitpunkt gekommen: Die Idee will geboren werden. Stelle alles in Dir auf Empfangen, komm in den Flow und nimm wahr, was in Deinem Geist aufsteigt. Mache Notizen, zeichne, bastle, wie auch immer Du am besten Deine Idee materialisieren kannst. Beginne einfach mit irgendetwas, lege die Hürde nicht zu hoch, Deine unbewusste Intelligenz wird Dich führen. Lass also Dein Ich los und schau Dir einfach bei Deinem Tun zu. Bewerte Dich dabei nicht, lass die Genauigkeit für später übrig, weite Deine Wahrnehmung und damit Deinen Möglichkeitsraum, sei geduldig und vertraue.
Die 4. Phase ist für unseren westlich geprägten Verstand am herausforderndsten.
Waren wir als Kinder noch Meister des Kreativen, sind die allermeisten von uns nach gründlicher Schulbildung und 20, 30 Jahre später nur noch ein Schatten dieses spielverliebten, selbstvergessenen Wesens. Der Dauerstress, den viele mit sich herumtragen wie ein Statussymbol, tut sein Übriges. Wir sind auch nicht mehr in der Lage, in die notwendige Stille zu sinken, um empfangen zu können und uns führen zu lassen. Wir sind Gefangene unseres „monkey minds“, der hierhin und dorthin springt und ewig sich wiederholenden Kram quatscht. Kreative Ideen mögen die Leere und freien Raum. Deshalb lieben kreative Ideen auch die Langeweile und das Nichtstun. Plötzlich stolpern sie daraus hervor und erscheinen dort, wo wir sie nicht vermutet haben. Auf einmal liegt da eine Zeitung in einem Café und ein Titel enthält die Lösung. Etwas fällt herunter und Du findest die gesuchte Form für ein Logo.
Kreativ sein heißt, Geschenke zu empfangen, offen zu sein und zuhören zu können. Und all das findet nicht unbedingt am Schreibtisch statt und ist ein ganz bestimmter Bewusstseinszustand.
Das Rezept dafür sieht gehirnwellentechnisch betrachtet so aus:
Erstmal runterkommen aus den gewöhnlichen Tagesaktivitäts-Betawellen und viele Alphawellen in den Topf. Das kennt jeder: Kurz vor dem Einschlafen oder unter der Dusche oder bei einem langen Spaziergang im Wald, wenn wir den Tag abspülen, loslassen, uns hingeben und in unsere inneren Welten gleiten, dann sind wir voll auf Alpha und in Kontakt mit unserer kreativen Energie. Wenn Alpha schön einwirken konnte, dann gesellen sich Theta- und Deltawellen hinzu. Diese Wellen sind typisch für Traumschlaf und Tiefschlaf, sie sind unsere Brücke zu den außerordentlich kreativen Tiefen des Unbewussten. Nun können sich Gammawellen zeigen. Diese sind ein Zeichen für ein freudiges Heureka und dafür, dass Neuronen oder Gehirnbereiche verknüpft werden, die noch nie verknüpft waren. Gammawellen integrieren, wir können empathisch das große Ganze sehen und wunderbare neue Ideen entstehen.
Einen Bewusstseinszustand, der Kreativität ermöglicht, können wir auch am Herzen messen. Eine hohe Herzratenvariabilität (HRV) zeigt uns, dass das Herz optimal und flexibel arbeitet. „Alles ist in bester Ordnung“, meldet das Herz dem System, Hormone des Wohlbefindens fluten den Körper, ich kann mich begeistern, bin voller Lebenslust und habe Raum für Ideen. Messen kann man den HRV zum Beispiel mit diesem Biofeedbackgerät: https://store.heartmath.com/emwave2
Kreativität kann man messen, man kann sie aber auch fühlen:
Es ist himmlisch und immer wieder wie ein Rausch, Schöpfer einer Welt zu sein. Eine große Freude ist immer ein Gradmesser für herausragende Leistungsfähigkeit.
Kreativität ist also kein Pressen, Drücken oder den Kopf durch die Wand bohren. Kreativität ist müheloses Empfangen in Phase 4, nachdem Du die anderen Phasen durchlaufen hast.
Der optimale Nährboden für Kreativität besteht also aus einem klaren Geist und emotionalem und körperlichem Wohlbefinden. Ich tanze zum Beispiel, mache Yoga oder fahre eine Runde mit dem Rad ums Feld. So kann Lebensenergie in mir besser fließen, auch Qi oder Prana genannt.
Lebensenergie oder auch das Leben selbst ist pure Kreativität.
Das konnte ich genau so an mir erfahren. In meinem ganzen Leben habe ich Entscheidungen immer intuitiv getroffen und die Möglichkeiten ergriffen, die von außen auf mich zukamen und die mir reizvoll erschienen. Wenn ich nun zurückschaue, dann weiß ich: Ich hätte all das mit meinem denkerischen Verstand nie planen können:
Nach dem Gymnasium studierte ich Psychologie. Als ich das Vordiplom fertig hatte, kam das Angebot für „Bernd, das Brot“ zu schreiben herein, was meinem Bauchgefühl viel besser als das Studium gefiel. Weitere verlockende Gelegenheiten, die meine kreativen Fähigkeiten forderten, boten sich mir und so lernte ich nach dem Texten, Grafikdesign, Filmschnitt & Schnittregie, Ausstellungsgestaltung und Websiteprogrammierung „on the fly“, also immer gleich für einen konkreten Auftrag. Irgendwann war ich von all dem Vielen so erschöpft, dass glücklicherweise Kundalini Yoga und Meditation in mein Leben traten, was ich sofort täglich praktizierte. Als ich dann aufs Land zog, gab es weit und breit keinen Kurs, so dass ich selbst eine Ausbildung (meine erste) zur Kundalini-Yogalehrerin absolvierte. Nun könnte man denken, dass das das reinste Chaos und viel verschwendete Energie war. Aber ich gebe heute Workshops zum Thema Kreativität, in die all diese Fähigkeiten einfließen: die Psychologie, die kreative Praxis, die Meditation – bis dahin, dass ich selbst mein komplettes Marketing machen kann.
Wenn man sich mit seinem Lebensfluss treiben lässt, dann entfaltet sich die Kreativität seines eigenen Wesens und alles geschieht mühelos. Die Möglichkeiten kommen zu Dir und Du musst nur empfangsbereit sein und Dich dem hingeben. Lass Deine Pläne los und schau, was das Leben Dir schenken will. Wir sind alle Teil dieses größeren sinnvollen, kreativen Ganzen. Und: Wir können alle zu unserer Kreativität zurückfinden, zum Beispiel mit dieser Meditation:
Meditation für gute Ideen 11-31min
Halte Deine Hände 5cm vor der Brust. Eine Handfläche ruht in der anderen (es ist egal, welche oben oder unten ist). Die Handflächen zeigen zur Brust, berühren sie aber nicht. Die Daumen sind gekreuzt.
Schau auf Deine Nasenspitze.
Wiederhole folgenden Atemzyklus:
Einatmen durch die Nase, ausatmen durch die Nase.
Einatmen durch den gerundeten Mund, ausatmen durch den entspannten Mund.
Einatmen durch die Nase, ausatmen durch den Mund.
Einatmen durch den gerundeten Mund, ausatmen durch die Nase.
Arielle Kohlschmidt
Meditationen für innovatives Denken